ektopischer Ureter II
Was sind Ektopische Ureter?
Als Ureter (Harnleiter) bezeichnet man die organischen Leitungen, welche den Urin von den Nieren zur Blase transportieren. Die Ureteren münden an einer speziellen Stelle in die Blase, damit die Füllung und Entleerung der Blase optimal gewährt wird. Durch einen genetischen Defekt bedingt, können diese aber an einer anderen, als der dafür vorgesehen Stelle münden, sei dies an einer anderen Stelle der Blase, am Blasenhals, in der Harnröhre oder sogar in ein anderes Organ. Jede Abweichung von der normalen Mündungsstelle der Harnleiter (Ureter) in die Blase wird als ektopisch bezeichnet. Ektopische Ureter können einseitig oder beidseitig vorliegen und in verschiedenen Formen vorkommen. Ektopische Ureter sind als Krankheit bei verschiedenen Rassen schon länger bekannt und auch wissenschaftlich beschrieben worden, so bei Entlebucher- und Appenzeller Sennenhunden, Briard, Labrador- und Golden Retriever, Siberian Husky, Neufundländer, Bulldogge, Beauceron, West Highland White Terrier, Foxterrier, Mini- und Toypudel, Skye Terier, Thibet Terrier, Collie und bei den Shelties. Es wurde mit Segregationsanalyse bei Entlebucher Sennenhunden nachgewiesen, dass äußere Einflüsse ausgeschlossen werden können und genetische Ursachen vorliegen.
Was bewirken Ektopische Ureter?
Ektopische Ureter können, müssen aber nicht zu gesundheitlichen Problem bei den Hunden führen. Hier muss grundsätzlich gesagt werden, dass die meisten Hunde mit dieser Krankheit ein normales Leben führen und nie Probleme haben. Deshalb gibt es wohl eine ganze Menge von betroffenen Hunden, welche nicht erkannt werden. Hier liegt aber auch das Problem mit der Vererbung, denn so wird auch mit betroffenen Hunden unwissentlich gezüchtet und diese Krankheit u.U. dann weit in einer Rasse verbreitet.
Das häufigste Problem ist Inkontinenz. Besonders wenn die Ureter nicht in die Blase oder den Blasenhals münden sondern in die Harnröhre, kann eine Inkontinenz schon von Geburt an bestehen. Diese Hunde verlieren u.U. permanent Urin, sind von Welpenalter an ständig nass und haben durch den Urin auf der Haut, Reizungen und Ekzeme. Ein Zustand der nicht nur für den Besitzer belastend ist, sondern auch für die betroffenen Hunde sehr unangenehm ist. Hier sind am meisten Hündinnen betroffen, obwohl es sich bei Reihenuntersuchungen von anderen Rassen gezeigt hatte, dass diese Krankheit bei Rüden häufiger auftritt, diese aber bedingt durch die längere Harnröhre in jüngerem Alter seltener Symptome zeigen. Inkontinenz bedingt durch ektopische Ureter kommt aber sehr oft erst bei älteren Hunden oder nach erfolgter Kastration vor. Es wird deshalb empfohlen, betroffene Hunde nur aus rein medizinischen Gründen, z.B. bei Gebärmutterentzündungen oder Hodentumore, kastrieren zu lassen.
Ein anderes Problem ist, das Hunde mit ektopischen Uretern zum Teil sehr jung an Nierenversagen sterben können, auch ohne andere Symptome wie Inkontinenz zu zeigen. Bedingt durch die falschen Einmündungen der Harnleiter, kann es zu einem Urinrückstau in den Nieren kommen, was diese schädigen und zerstören kann, dies kann schon bei sehr jungen, 3 oder 4 wöchigen Welpen geschehen, es sind Welpen bekannt, die deshalb schon mit 7 oder 8 Wochen an Nierenversagen, aufgrund von ektopischen Uretern und Urinrückstau gestorben sind. Hier gibt es mit Sicherheit eine größere Dunkelziffer, denn Hunde, welche jung an Nierenversagen sterben, werden in den seltensten Fällen, auf ektopische Ureter als Grundursache untersucht.
Hunde mit ektopischen Uretern haben auch ein erhöhtes Risiko, an Harnwegsinfektionen zu erkranken, also z.B. eine Blasenentzündung oder als Begleiterscheinung eine Nierenentzündung zu bekommen, auch wenn sie sonst keine Symptome zeigen.
Bei Hunden mit Inkontinenz, auch schon bei kleinen Welpen, mit Blasenentzündungen oder Nierenproblemen sollte immer auch an ektopische Ureter als mögliche Ursache gedacht werden und die Hunde dann einer entsprechenden Diagnose unterzogen werden.
Ektopische Ureter werden in 3 "Schweregrade" unterteilt, dies haben die verantwortlichen Rassebetreuer anderer betroffenen Hunde ausgearbeitet um zukünftige Zuchtprogramme erstellen zu können. Es wird unterschieden in:
Grad A = diese Hunde habe keine Anzeichen von ektopischen Ureter, ihre Harnleiter münden normal in die Blase.
Grad B = diese Hunde haben ektopischen Ureter in einer leichteren Form, also der oder die Harnleiter münden noch in die Blase oder in den Blasenhals, die Hunde zeigen keine Rückstauungen in die Nieren und sind nicht inkontinent. (Aber auch hier ist bekannt, das solche Hunde Harnwegs- und Nierenprobleme bekommen können und an Nierenversagen sterben können!)
Grad C = diese Hunde haben ektopische Ureter, welche in die Harnröhre oder in ein anderes Organ münden, sie können inkontinent sein, oder auch nicht, sie können auch einen Rückstau in die Nieren haben.
Wie können ektopisch Ureter diagnostiziert werden?
Momentan wird in Zürich intensiv an einem Gentest für dieses Problem bei Entlebucher Sennenhunden geforscht, eine Rasse welche überdurchschnittlich davon betroffen ist (2/3 der Entlebucher Sennenhunde haben in irgend einer Form ektopischen Ureter) und wo sehr viele Untersuchungsdaten vorhanden sind. Ob dieser Gentest, wenn er einmal vorliegt, auch für andere Rassen verwendbar ist, ist fraglich. In Hannover wird zeitgleich an einem Gentest für die Briards geforscht.
Ektopische Ureter werden im Moment bevorzugt durch eine Ultraschalluntersuchung diagnostiziert, es geht bei erwachsenen Hunden zum Teil auch mit einer Röntgenaufnahme, wo zuvor ein Kontrastmittel gespritzt wird um die Harnwege darstellen zu können.
Leider ist es nicht ganz so einfach, ektopische Ureter zu diagnostizieren. Es braucht ein hochauflösendes Ultraschallgerät mit Doppler und einen geübten Untersucher. Die Untersuchung ist für den Hund schmerzlos und ungefährlich, es braucht auch keine Narkose dazu. Die Hunde bekommen eine Infusion und ein harntreibendes Medikament und müssen einige Zeit ruhig auf dem Rücken liegen können. Bei etwa 90% der Hunde kann so eine klare Diagnose gestellt werden. Diese Untersuchung ist auch schon bei Welpen möglich, jedoch bei kleinen Rassen sehr schwierig. Bei kleinen Rassen, welche selber gesund erscheinen sollte diese Untersuchung deshalb bevorzugt im Erwachsenenalter durchgeführt werden um brauchbare Ergebnisse zu erhalten.
Solche teure und hochauflösende Ultraschallgeräte stehen erst seit einigen Jahren und auch nur in größeren Tierkliniken zur Verfügung. Deshalb muss oft ein längerer Anfahrtsweg und Wartezeiten in Kauf genommen werden. Da diese Untersuchung erst seit einigen Jahren möglich ist, wird das Ausmaß dieser Krankheit in den verschiedenen Hunderassen erst jetzt wirklich erkannt und diagnostiziert. Es handelt sich nicht um eine „neue“ Krankheit, denn Hunde mit Nierenproblemen oder Inkontinenz sind seit langem bekannt, sondern um eine neue Diagnosemöglichkeit, durch die das Problem erst wirklich erkannt wird.
Können und sollen ektopische Ureter behandelt werden?
Hunde ohne Symptome wie Harnträufeln oder Nierenprobleme, können trotz ektopische Uretern in den meisten Fällen ein ganz normales Leben führen, werden nie Probleme zeigen und haben meistens eine normale Lebenserwartung. Es sollte aber immer auf Anzeichen einer Harnwegsinfektion geachtet werden und Antibiotika sollten nur nach vorhergehender Resistenzbestimmung eingesetzt werden und diese Hunde sollten wenn immer möglich nicht kastriert werden.
Hunde mit Symptomen, also Inkontinenz oder Rückstau in die Nieren, können operiert werden. Dies ist eine recht aufwendige Operation in der die Harnleiter an die richtige Stelle der Blase verpflanzt werden, oder wo bei einseitiger Ureterektopie auch eine Niere entfernt wird. Die Erfolgsquote bei dieser Operation liegt bei 70% und ist bei einseitiger Ureterektopie am erfolgversprechendsten. Viele der operierten Hunde müssen aber oft für den Rest des Lebens zusätzliche Medikamente einnehmen und Hunde bei denen die Ureter in die Harnröhre münden haben oft auch noch eine angeborene Schwäche des dortigen Verschlussmechanismus und können trotz erfolgreicher Operation inkontinent bleiben. Einige operierte Hunde mussten mehrfach operiert werden um einen Erfolg zu erzielen. Liegen ektopische Ureter nur einseitig vor sind die Erfolgsaussichten nach einer Operation, für eine vollständige Heilung sehr gut.
Nun, viele werden hier vielleicht den Kopf schütteln und denken… „wieder ein Problem“.. oder „geht mich nichts an“ oder ähnliches. Hier muss aber ganz klar festgestellt werden, dass dieses Problem mit den ektopischen Uretern ein ganz anderes Problem ist, als Defekte wie CEA oder MDR1 -/-, denn mit Hunden zu züchten, welche Welpen mit ektopischen Uretern hervorbringen, ist in Deutschland und auch in der Schweiz ganz klar ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
Der Text im Tierschutzgesetz besagt folgendes:
„Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten…….wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht… erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten“
Bei ektopischen Ureteren ist von einem Gendefekt auszugehen, der unter o. g. Paragraphen fällt.
Zuchtvereine von anderen betroffenen Rassen, haben deshalb bereits ein Selektionsprogram in die Wege geleitet, unter anderem auch um nicht gegen das Tierschutzgesetz zu verstosen. Sehr vorbildlich hat sich hier der Briardclub Deutschland verhalten und wurde deshalb mit dem Programm bereits vom VDH besonders belobigt. Die Anzahl der von ektopischen Ureteren betroffenen Briards liegt bei etwa 8%. Es werden im Deutschen Briardclub nur noch untersuchte Hunde zur Zucht zugelassen und die allermeisten Züchter sind sich ihrer Verantwortung bewusst, nämlich das jeder Züchter sich in erster Linie darum bemühen sollte, gesunde Hunde zu züchten. Der Deutsche Briardclub hat deshalb einen Auswertungsbogen entwickelt, die Hunde werden von in den Tierkliniken oder bei den Tierärzten, welche das Equipment dazu haben untersucht und die Daten werden dann zentral bei Prof. Nickel in Norderstedt ausgewertet um ein einheitliches Ergebnis zu erhalten, vergleichbar mit den HD-Auswertungen.
Es hat sich gezeigt, dass Hunde mit Grad C hauptsächlich entstehen, wenn 2 betroffene Hunde Grad B X Grad B oder Grad B X Grad C oder Grad C x Grad C, verpaart werden. Bei anderen betroffenen Rassen hat sich die Anzahl der Hunde mit Grad C sehr schnell reduziert, wenn nur noch Hunde mit grad B mit freien Hunden (Grad A) verpaart wurden. Also besteht die Aufgabe verantwortungsvoller Züchter darin, zu verhindern dass sich dieses Problem innerhalb einer Rasse verschlimmert! Aber es darf nicht vergessen werden, dass auch wenn ein Elterntier frei ist (also Grad A hat) trotzdem Welpen mit Ektopischen Uretern geboren werden, wenn der andere Partner davon betroffen ist!
Deshalb hier im Moment folgende Empfehlung:
– Bei Hunden wo ektopischen Uretern diagnostiziert wurden, sollten unbedingt die Eltern und Geschwister und möglichst auch Halbgeschwister (also Nachkommen von den Eltern eines betroffenen Hundes) darauf untersucht werden, die gleichen oder genetisch ähnlichen Verpaarungen sollten unbedingt vermieden werden. Betroffene Hunde mit Grad C sollten auf keinen Fall zur Zucht verwendet werden, Hunde mit Grad B sollten nur mit untersuchten Hunden und mit Grad A verpaart werden um den Defekt nicht zu potenzieren.
– Inkontinente Hunde, Hunde mit wiederholten Blasenentzündungen oder mit Blasenentzündungen im Welpenalter, oder Hunde mit Nierenprobleme sollten auf ektopische Ureter untersucht werden.
Textquelle: G. Kamber, Sheltiezucht Schweiz